Bettina Meiselbach im Interview

Geschrieben von Marina Lommel
7 Minuten Lesezeit
1. November 2017 zuletzt aktualisiert am 1. August 2023 von Annalena Gebhardt

25 Jahre Personalmanagement und dann erfolgreiche Foodbloggerin – wie kam es zu diesem extremen und außergewöhnlichen Wandel?

“Im Jahr 2014 hat es mich gesundheitlich so richtig aus den Socken gehauen. Über Jahre war ich nicht sehr pfleglich mit mir umgegangen. Viel Arbeit, kein gutes Essen, wenig Bewegung und immer unter Dauerstrom. Irgendwann hat es mir mit über 130 kg den Stecker gezogen und ein Erschöpfungszustand war die Folge. So landete ich in einer Psychosomatischen Rehaklinik und dort kam dann noch der „Zufallsbefund“ Diabetes hinzu. Alle Neune, dachte ich mir damals und war wütend auf mich selbst. So begann ich grundlegende Dinge zu ändern. Dazu gehörte auch, dass ich den damaligen Job aufgegeben habe. Ich brauchte eine Auszeit, um mich neu und gesünder aufzustellen. Die damals eingeleitete Umstellung meiner Ernährung auf Low Carb fruchtete dazu ordentlich. Ich verlor Gewicht und meine Diabetes-Erkrankung konnte ich soweit zurückdrängen, dass ich heute keine Medikamente mehr brauche. Da der kohlenhydratreduzierte Weg für Diabetiker bisher in den Schulungen und auch bei Diabetologen meist keine große Rolle spielt, wollte ich gerne meine tollen Erfahrungen mit anderen Menschen teilen. Ich esse ja heute immer noch gerne und sehr gut. Also warum das nicht der Welt zeigen? So startete ich mit meinem Happy-Carb-Blog durch. Innerhalb von 3 Jahren wurde ein stattlicher Low-Carb-Blog aus meiner Internetseite. Irgendwann zwischendurch kam dann auch die Frage auf, wie es beruflich mit mir weitergehen soll. Zurück ins Personalmanagement oder versuchen aus einem tollen Hobby eine neue berufliche Perspektive zu schaffen? So wurde aus einer ehemaligen Personalchefin eine vollberufliche Bloggerin. Ich sehe mich übrigens nicht als klassische Foodbloggerin, weil es viel mehr als nur leckere Rezepte auf meiner Seite zu entdecken gibt.”

Auf den ersten Seiten des neuen Buches beschreibst du, wie es sich mit 60 kg weniger so lebt. Das ist quasi eine ganze Person, die du da an Gewicht verloren hast. War es der Wille, sowieso neu anzufangen oder was hat dich durchhalten lassen?

“So viel Gewicht zu verlieren, hat ganz viel mit einem festen Willen und auch Durchhaltevermögen zu tun. Ich lag zerstört am Boden und mir wurde klar, dass so weitermachen, in viel zu kurzer Zeit mein Leben kosten würde. Aus dieser Erkenntnis habe ich ganz viel Energie gezogen. Mist, es kann doch nicht sein, dass ich mit 44 Jahren keine 200 Meter am Stück laufen kann. Unglücklich futternd auf dem Sofa sitzen. Wollte ich das für mich, bis mich der Schlag trifft? Nein, ich will mehr vom Leben. Nur so, wie es damals war, ging eben nicht viel mehr. Also habe ich mir – im übertragenen Sinn – mal richtig in den eigenen Hintern getreten und bin losmarschiert. In Etappen meinem Ziel entgegen. Ein gesundes Wohlfühlgewicht und ein Leben, in das wieder echtes Leben reinpasst.  Beim Durchhalten geholfen hat, dass ich mir den Berg in kleinere Etappen aufgeteilt habe. Immer 10 kg für 10 kg. Hätte ich gleich den Berg vor der Brust gehabt, wäre ich vielleicht umgedreht und sitzen geblieben. Ich musste mich also etwas austricksen, damit ich nicht schon vor dem Start kapituliere.”

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Und dann kam der logische Schritt – selbst einen Blog zu machen und Leuten das Wissen weiter zu geben?

“Ja, ich dachte mir, was bei mir gut klappt, geht bei anderen bestimmt auch. Die eigentliche Idee zum Blog kam jedoch von meinem Mann, der daran glaubte, dass ich meine Erfahrungen positiv weitergeben kann und ein Blog auch eine gute Verarbeitungs- und Motivationsstrategie für mich selbst sein könnte. Ich selbst hatte ja keine Ahnung und war skeptisch, ob ich das Talent mitbringe, was es zum Bloggen braucht. Ehrlich gesagt, hatte ich bis dahin nicht mal eine Idee, was ein Blog überhaupt ist. Bis zum eigenen Blogstart hatte ich keinen anderen Blog gelesen und habe mich dann einfach auf mein Gefühl, und das, was ich mit der Welt teilen will, verlassen.”

Das Thema Low Carb ist nicht neu, wird aber immer wieder in den Medien aufgegriffen und vor allem unterschiedlich dargestellt. Mal ist es gut, mal ist es schlecht. Wird für deine Begriffe ein zu großer Hype aus dieser Ernährungsform gemacht? Oder vielleicht sogar zu wenig und zu falsch darüber berichtet?  

“Erst einmal bin ich froh, dass ich Low Carb nach umfassender Information für mich selbst interpretiert habe. Ich hatte relativ schnell gemerkt, dass im Umfeld teilweise sehr rigide und auch bevormundend mit Verboten zu tun habe Ich mache mir die Welt gerne, wie sie mir gefällt und habe die Low-Carb-Grundsätze, eben weniger Kohlenhydrate zu essen, für mich persönlich passend umgesetzt. Klar, in den Medien wird Low Carb regelmäßig verwurstelt, denn alles was Auflage bringt oder Klicks generiert, wird mehr oder weniger richtig  dargestellt immer wieder durch die Kanäle geschoben. Auf der einen Seite freue ich mich über die Präsenz, aber eigentlich nervt mich, dass Low Carb immer auf eine Reduktionsdiät reduziert wird. Du willst effektiv Fett abbauen, dann mach Low Carb. Mal ist es mit mehr Eiweiß, mal mit mehr Fett. Ob Dukan oder Atkins. Immer hat man das Gefühl, du musst 4 Wochen den Plan machen und dann ist es vorbei. Das geht an meinem Happy-Carb-Gedanken vorbei, denn ich esse jetzt seit über 4 Jahren Low Carb und bin immer noch happy. Dass das geht und auch so sein soll, vermittelt in der Regel keine Zeitung, die über Low Carb berichten. Dazu stürzen sich die Medien auch gerne auf Studienergebnisse, die die sich in netter Regelmäßigkeit widersprechen. Ernährungsstudien haben ihre Grenzen. Menschen sind unterschiedlich und dazu von so vielen Faktoren beeinflusst, dass es immer schwierig ist, ursächliche Zusammenhänge zu beweisen. Statt echter Auseinandersetzung, was aus einer Studie an Erkenntnissen gewonnen werden kann, werden häufig aus dem Kontext gerissene Teilergebnisse durch die Welt getrötet. So ist Low Carb an einem Tag lebensgefährlich und am Tag darauf wieder der perfekte Schlankmacher. Ich erlebe viele Menschen inzwischen total verunsichert, wenn es um Ernährung geht. Fett oder doch kein Fett? Ist nicht die vegane Ernährung der heilige Gral? Sind wir noch Steinzeitmenschen und warum braucht es dann keinen Lendenschurz beim Essen? Fragen über Fragen und bei all dem, hören viele Menschen zu wenig in sich rein und am Ende bleibt oft dann noch der Genuss auf der Strecke.”

Wie siehst du die Entwicklung in der Ernährung überhaupt?  

“Der Trend geht meiner Meinung nach zu eher speziellen Ernährungsweisen. Das finde ich generell auch nicht schlecht, sondern die Auseinandersetzung mit den körpereigenen Bedürfnissen und der dazu passenden Ernährung hilft vielen Menschen weiter. Ich profitiere als Diabetikerin, die sich kohlenhydratreduziert ernährt, sehr stark von meiner veränderten Ernährungsweise. Kritisch sehe ich, dass die Einordnung in „Ernährungskasten“ teilweise zu sehr intolerantem Verhalten führt, weil die eigene Ernährung als das Nonplusultra gesehen wird. Immer wenn es zu extrem wird, bin ich eigentlich raus. Ein Merkmal ist aktuell dazu der Optimierungswahn und das Bedürfnis, alles zu kontrollieren und per App zu überwachen. Da wird gerechnet und gemacht was das Zeug hält, nur um hinterher zu merken, dass die App dann doch nicht in den Köper und unser tägliches Leben reinschauen kann. Ernährung wird so total funktionalisiert und mir fehlt am Ende die Freude am Essen und an tollen, qualitativ guten Lebensmitteln. Wenn sich alles nur noch an Makros und Nährstoffen ausrichtet, dann geht nämlich Lebensqualität verloren. Wie viel Lebenszeit will man mit der Erfassung von Daten zur Ernährung verdaddeln? Mit 25 Jahren hätte ich das sicher anders gesehen, aber heute mit bald 50 Jahren, sehe ich das Ganze etwas kritischer und für mich selbst gelassener. Es wird die Herausforderung für jeden einzelnen, da den für sich richtigen und gesunden Weg zu finden. Essen macht Spaß und soll kein schlechtes Gewissen erzeugen.

Dazu gibt es ganz viele Menschen, die sich von der eigenen Zubereitung der Mahlzeiten entfernt haben. Wieder mehr selbst kochen mit frischen Zutaten und ganz viel Gemüse wäre eine Entwicklung, die ich begrüßen würde. Wie, zeige ich in meinen Kochbüchern, aber der Zeitgeist ist ein anderer, was mir nicht wirklich gut gefällt.”

Was kommt bei dir zu Hause auf den Tisch? Gibt es ein Lieblingsrezept? 

“Ich liebe Bolognesesoße, schon seit ich Kind bin. Daher bei uns immer wieder in allen möglichen Varianten auf dem Tisch. Früher mit Bergen von Nudeln, schmeckt die Bolognesesoße heute – natürlich ordentlich angereichert mit Gemüse – sehr lecker zu Zucchininudeln oder ganz saisonal aus der Kürbisschale aus dem Backofen. Low Carb kann so einfach und so lecker sein.”

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Der Artikel wurde geschrieben von

Marina Lommel

Marina gründete Foodpunk nach ihrem Abschluss in Ernährungswissenschaften und ist aktuell CEO des Unternehmens. Während ihres Studiums arbeitete sie in verschiedenen Bereichen, darunter in der Wissenschaftsredaktion beim Radio, Redaktion beim TV und Uni-Wissensmagazin sowie im Labor am DZNE in der Parkinsonforschung. Marina ist außerdem Autorin von 5 ernährungswissenschaftlichen Sachbüchern.

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