Wie definiert man Ketose?

Geschrieben von Marina Lommel
7 Minuten Lesezeit
18. Februar 2015 zuletzt aktualisiert am 27. April 2023 von Annalena Gebhardt

Ketose und Ketonkörper. Diese beiden Begriffe werden in der Low Carb und Keto-Welt fröhlich durch die Gegend geworfen. Kann man irgendwie messen. Aber was steckt eigentlich dahinter? Was bedeuten diese Dinge im Stoffwechsel und auf chemischer Ebene?

Inhaltsverzeichnis

    Die offizielle Definition der Ketose lautet: „Ein Stoffwechselzustand, bei dem die Konzentration der Ketönkorper im Blut über den Normalwert erhöht ist“. Viel sagt das noch nicht aus. Was ist denn der Normalwert? Das ist der Wert, der ein Otto-Normal-Durchschnitts-Esser hat, wenn er nicht gerade für längere Zeit fastet oder auf Kohlenhydrate verzichtet. Unser Otto-Normal-Durchschnitts-Esser hatte wahrscheinlich gerade vor einer Stunde eine Käsesemmel und gerade eben ein Snickers. Er isst so 3-6 Mal am Tag und er fastet sogar täglich, nämlich dann, wenn er schläft.

    So ein Otto-Normal-Durchschnitts-Esser hat eine Ketonkörperkonzentration im Blut von weniger als 0,1 mmol pro Liter. Das ist also der Normalwert und wenn man diesen Wert im Blut hat, dann ist man nicht in Ketose. Befindet sich ein Mensch in Ketose liegen die Werte meist zwischen 2-5 mmol/L. Dies ist absolut physiologisch, also ein gesunder Zustand. Mol und mmol sind übrigens eine Maßeinheit für Chemiker, ähnlich wie kg und g für den Koch.

     

    1. Was sind Ketonkörper?

    Ketonkörper sind kleine Moleküle, die Organe mit Energie versorgen.

    Als Ketonkörper werden in der Medizin drei Verbindungen bezeichnet: Acetoacetat, β-Hydroxybutyrat und Aceton. Acetoacetat ist eine „Ketocarbonsäure“,  β-Hydroxybutyrat eine „Carbonsäure“ und Aceton das einfachste „Keton“. Ketocarbonsäuren, Carbonsäuren und Ketone sind verschiedene Arten von kleinen organischen Molekülen. Kohlenstoffatome, Sauerstoffatome und Wasserstoffatome sind in den verschiedenen Molekülen auf unterschiedliche Weise verbunden. Wichtig ist: In diesen Verbindungen steckt Energie!

    2. Sind Ketonkörper und Ketone das Gleiche?

    Ketonkörper und Ketone sind nicht das Gleiche.

    Ketone ist der Überbegriff für alle chemischen Verbindungen, die eine Doppelbindung von einem Kohlenstoffatom zu einem Sauerstoffatom haben, aber nur, wenn sie nicht am Rand des Moleküls ist. Heißt offiziell „eine nicht endständige Carbonylgruppe”. Von solchen Molekülen, solchen Ketonen, gibt es unfassbar viele Varianten. Ketonkörper gibt es aber nur drei und die haben ihren Namen daher, dass Acetoacetat und Aceton jeweils so eine „nicht endständige Carbonylgruppe“ in ihrer chemischen Struktur haben. Also: 2 Ketonkörper gehören zu den Ketonen, aber nicht alle Ketone sind Ketonkörper. (Raspberry-Ketone können noch so vielversprechend verkauft werden, sie haben absolut nichts mit Ketose zu tun.)

    β-Hydroxybutyrat ist chemisch kein Keton, da die Ketogruppe zu einer Hydroxygruppe reduziert (umgewandelt) wurde. Trotzdem wird es mit zu den Ketonkörpern gezählt, denn es kann schnell aus Acetoacetat umgewandelt werden und hat vergleichbare Eigenschaften im Körper. Zudem kommt es unter den Ketonkörpern am häufigsten vor und ist der bedeutendste Ketonkörper im Stoffwechsel.

    3. Wie werden Ketonkörper ausgeschieden?

    Einige Ketonkörper werden über Urin und Atemluft ausgeschieden.

    β-Hydroxybutyrat wird durch Enzyme aus Acetoacetat umgewandelt. Aceton hingegen entsteht durch spontanen Zerfall von Acetoacetat, ohne Enzyme. Es ist flüchtig und wird im Stoffwechsel so gut wie nicht weiterverwendet. Stattdessen wird es vor allem über die Lunge mit der Ausatemluft abgegeben. Dies ist für den süßlichen Mundgeruch verantwortlich.

    Auch über den Urin werden Ketonkörper ausgeschieden. Dies nennt man Ketonurie – die Ausscheidung von Ketonkörpern mit dem Urin. Im Laufe der Zeit nimmt die Ausscheidung ab, da die Ketonkörper von den Organen besser verwertet werden und der Körper ja blöd wär‘, diese Energieträger einfach rauszuspülen.

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    4. Produziert die Leber auch ohne Ketose Ketonkörper?

    Auch ohne Ketose produziert die Leber ständig Ketonkörper in kleinen Mengen.

    Bei normaler, nicht-ketogener Stoffwechsellage im gesunden Menschen werden laufend geringe Mengen an Ketonkörpern von der Leber synthetisiert und von anderen Organen verbraucht. Die Konzentration von Acetoaceton und β-Hydroxybutyrat beträgt nach einer Mahlzeit etwa 0,01 mmol pro Liter Blut. Selbst nach nächtlichem Fasten ist ihre Konzentration im Blut mit 0,1 mmol/L noch relativ gering. Erst bei andauerndem Nahrungsverzicht steigt sie allmählich und erreicht nach etwa dreitägigem Fasten 2 mmol/L und nach einer Woche ohne Nahrungsaufnahme etwa 5 mmol/L. In diesem Bereich spricht man von Ketose.

    Der Blutzuckerspiegel befindet sich während der Ketose am unteren Rand der physiologischen Konzentration, aufrechterhalten durch Gluconeogenese aus Aminosäuren und Glycerin. Gluconeogenese ist der Aufbau von Glucose aus Molekülen, die keine Kohlenhydrate sind, wie Aminosäuren aus Proteinen oder aus Glycerin einem Teil der Triglyceride, der Fette.

    5. Ist Ketose ein physiologischer Stoffwechselzustand?

    Ketose ist ein vollkommen physiologischer Stoffwechselzustand.

    Ketose, ein physiologischer (normaler und gesunder) Zustand bei Nahrungsverzicht, darf nicht mit Ketoazidose verwechselt werden, einem pathologischen (krankhaften) Zustand, der bei Diabetes und Alkoholmissbrauch auftreten und lebensbedrohlich werden kann. Bei unkontrolliertem Diabetes Typ I kann die Ketonkörperkonzentration bis auf 25 mmol/L steigen, dann entsteht eine gefährliche Ketoazidose. Dabei werden die Puffermechanismen des Blutes überlastet, die sich normalerweise um das Säure-Basen-Gleichgewicht kümmern, und das Blut übersäuert. Wenn ein gesunder Mensch fastet oder sich sehr kohlenhydratarm ernährt, werden solche schädlichen Werte aber nicht erreicht.

    Es war der Biochemiker Hans Krebs (Entdecker des Krebs-Zyklus aka Citrat-Zyklus), der als erstes von „physiologischer Ketose“ als Unterscheidung zur diabetischen Ketoazidose sprach. In physiologischem Rahmen erhöhte Ketonkörperkonzentrationen treten wie gesagt nicht nur beim Fasten auf, sondern auch bei kohlenhydratlimitierten, sogenannten „ketogenen Diäten“.

    6. Wie wird die Ketose gestört?

    Kleine Mengen Insulin oder Glukose machen Ketose schnell zunichte.

    Der Stoffwechselzustand der Ketose ist sehr fragil und kann durch die Gabe von Insulin oder Glukose rasch unterbunden werden. Besonders in der Anfangszeit, wenn sich die Leber und die anderen Organe gerade erst umstellen und lernen Ketonkörper zu produzieren und zu verwenden. Kohlenhydrataufnahme führt zu einer Insulinausschüttung. Insulin hemmt die Ketonkörperproduktion und führt dazu, dass Ketonkörper mit dem Urin ausgeschieden werden. Auch eine hohe Menge an Protein führt zu einer Insulinausschüttung, hat aber keine ganz so starke Wirkung auf die Ketose. Denn bei der Proteinaufnahme wird zeitgleich Glukagon ausgeschüttet, der Gegenspieler des Insulins.

    7. Was machen Ketonkörper?

    Ketonkörper transportieren Energie durch das Blut.

    Die kleinen Ketonkörper sind energiereiche Verbindungen. In Fett steckt auch viel Energie. Aber was passiert, wenn man Wasser und Fett miteinander mischen will? Klappt nicht so ganz. Da unser Blut zum Großteil aus Wasser besteht ist es auch eher eine schlechte Idee, darin Fett auflösen zu wollen um Energie von A nach B zu transportieren. Deswegen wandelt die Leber das Fett erst in kleine Ketonkörper um. Die Betonung liegt hier auf klein, denn das ist unter anderem ein Grund, wieso Ketonkörper gut wasserlöslich sind. Im Gegensatz zu Fett können sie leicht mit dem Blut transportiert werden. In der Evolution des Menschen ermöglichte die Fähigkeit zur Ketogenese (Erzeugung von Ketonkörpern) und Ketolyse (Verwertung von Ketonkörpern) das Überleben in langen Hungerphasen, da dem immer größer werdenden Gehirn der menschlichen Vorfahren aus den Fettreserven eine Energiequelle zur Verfügung gestellt werden konnte.

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    Der Artikel wurde geschrieben von

    Marina Lommel

    Marina gründete Foodpunk nach ihrem Abschluss in Ernährungswissenschaften und ist aktuell CEO des Unternehmens. Während ihres Studiums arbeitete sie in verschiedenen Bereichen, darunter in der Wissenschaftsredaktion beim Radio, Redaktion beim TV und Uni-Wissensmagazin sowie im Labor am DZNE in der Parkinsonforschung. Marina ist außerdem Autorin von 5 ernährungswissenschaftlichen Sachbüchern.

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